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Susan Thoms
Impulsgeberin
Diakonie Werkstätten Halberstadt gGmbH
Halberstadt
„Wer nicht aufgibt findet, immer wieder, neue Kraft. Und nicht nur das. Wer nicht aufgibt, erkennt auch den Wert des Lebens." –Klaus Lutz –
Menschen mit Behinderung einen Zugang zum Arbeitsleben zu ermöglichen, ist eine der Hauptaufgaben der Diakonie Werkstätten Halberstadt. Hier werden derzeit etwa 400 Mitarbeiter betreut, die geistig, seelisch, sinnes- oder mehrfach behindert sind. Sie arbeiten entsprechend ihren Fähigkeiten in einer der Werkstätten der Diakonie oder außerhalb auf einem sogenannten „Außenarbeitsplatz“. Für viele Menschen mit Behinderung ist das ein erstrebenswertes Ziel. 

Eine von ihnen ist Susan Thoms. Die 1988 geborene Frau kam mit dem Williams-Beuren-Syndrom (WBS)* auf die Welt. Sie ist leicht behindert, hat einen Herzfehler, ist aber ansonsten eine fröhliche Frau, die mit beiden Beinen in ihrem Leben steht und in einer eigenen Wohnung in Halberstadt lebt. Nach der 9. Klasse an der Schule für Schüler und Schülerinnen mit geistiger Behinderung, die seit 1997 Reinhard-Lakomy-Schule heißt, begann Susan Thoms in den Diakonie Werkstätten Halberstadt mit einem Praktikum und anschließend mit der zweijährigen Berufsbildungsphase. „Ich habe Schnuller, Stifte und Adventskalender eingepackt“, erzählt Susan Thoms. 

Einer der Kunden der Werkstätten war damals schon die Firma Streiff & Helmold. Das Unternehmen produziert hochwertige Verpackungen, um wertvolle Gegenstände vor Beschädigungen zu bewahren – zum Beispiel für die Autoindustrie. Streiff & Helmold arbeitete bereits seit 2003 mit den Halberstädter Werkstätten zusammen, stellte bei hohem Arbeitsaufkommen, zum Beispiel während des Weihnachts- oder Ostergeschäfts, Außenarbeitsplätze im Werk temporär zur Verfügung.

Als die Firma 2017 im Gewerbegebiet Halberstadt einen neuen Standort eröffnete, gab sie bis zu 18 Menschen mit Behinderung in einem kleinen, separaten Bereich der riesigen Werkshalle Arbeit, um die Verpackungsaufträge von Kunden im gesamten Bundesgebiet abzuarbeiten. Schon zu dieser Zeit lag ein Schwerpunkt bei Streiff & Helmold auf Spezialverpackungen für die Autoindustrie.

Was durch die Arbeitskräfte der Diakonie Werkstätten auch problemlos erfüllt werden konnte. Natürlich wechselten die Mitarbeiter von Zeit zu Zeit. So kam auch Susan Thoms zum Team: „Als ich gefragt wurde, ob ich bei Streiff & Helmold arbeiten möchte, habe ich sofort gewollt“, erzählt Susan Thoms, „von einem Arbeitsplatz außerhalb der Werkstätten habe ich schon damals geträumt.“ 

Nach kurzer Rücksprache mit ihrer Mutter Ingrid begannen sie und andere ein Ausbildungs-Praktikum in der Firma und wurden nach Corona fest in die Gruppe aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es in der Werkstatthalle noch 12 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung; die Pandemie hatte die Stellenzahl drastisch verringert. Sandra Giebel, Geschäftsführerin der Diakonie Werkstätten Halberstadt, erklärt: „Bei einem Außenarbeitsplatz bestellt der Kunde Arbeitszeit, die er uns vergütet. Die Werkstätten zahlen weiterhin den Lohn der Mitarbeiter sowie sämtliche Sozialleistungen.“

Gut zwei Jahre fuhr Susan Thoms statt in die Werkstatt am frühen Morgen in die Werkhalle im Halberstädter Gewerbegebiet. Stolz trug sie ihre Arbeitskleidung mit dem Firmenschriftzug. So wie die anderen in der Gruppe auch. Gemeinsam falteten und knifften sie. Sie brachen Formen aus dem Material und trackerten die Verpackungen. Danach machten sie alles für den Versand an den Kunden fertig. „Wir hatten auch sehr guten Kontakt mit den anderen Mitarbeitern, haben geredet, zusammen Kaffee getrunken oder eben nur zusammengehockt.“ Für Susan Thoms hätte alles ewig so weitergehen können: „Wir waren eine tolle Truppe, die zusammenhielt. Die Arbeit brachte Spaß, und alle waren nett zu uns. Wir fühlten uns wertgeschätzt und akzeptiert.“

Doch dann, im Mai 2023, der Schock: Die Auftragslage bei Streiff & Helmold war stark rückläufig – das Unternehmen geriet in die Krise. Um Kosten zu sparen, wurde als Erstes der Vertrag mit der Diakonie bis Ende 2023 ausgesetzt. „Davor sind wir nicht gefeit“, erklärt Christian Fromm, technischer Werkstattleiter, und seit 2000 bei der Diakonie in Halberstadt. 

Der Grund dafür ist schnell erklärt: Die Verträge zwischen Auftraggeber und Diakonie Werkstätten enthalten nur eine sehr kurze Kündigungsfrist der zu leistenden Anzahl an Arbeitsstunden. „Und die kann das Unternehmen jederzeit entsprechend Angebot und Nachfrage hoch oder auf null fahren.“ Wie eben Streiff & Helmold. Allerdings ist das Unternehmen keine Ausnahme: „Das passiert immer wieder“, weiß Christian Fromm. „Natürlich wünschen wir uns, dass das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zurückkommt“, sagt Sandra Giebel, Geschäftsführerin der Diakonie Werkstätten Halberstadt, „dennoch suchen wir nach Außenarbeitsplätzen, damit die Gruppe wieder außerhalb unserer Werkstätten eingesetzt wird.“

Das ist nicht so einfach. Deshalb sind zwei Mitarbeiter der Diakonie Werkstätten Halberstadt ständig unterwegs, um bei kleinen und großen Firmen Außenarbeitsplätze zu generieren. Aber auch viele andere Mitarbeiter kümmern sich um Außenarbeitsplätze oder Aufträge: Sei es durch eigene Kontakte, Vorträge in Wirtschaftsclubs oder bei anderen Veranstaltungen. Die Möglichkeiten sind vielfältig, das Ergebnis nicht immer optimal. Erst vor kurzem wurde ein Bewerbungsvideo für Mercedes Benz fertiggestellt. Der Automobilkonzern baut einen komplett neuen Logistik-Standort für die weltweite Ersatzteilversorgung von Lkw auf. „Zwischenzeitlich arbeiten von unseren Leuten 64 auf einem Außenarbeitsplatz. Wir sind optimistisch, dass es noch mehr werden“, ist Christian Fromm zuversichtlich.  Bis neue Außenstellen gefunden sind, arbeiten Susan Thoms und ihre Gruppe weiterhin in den Werkstätten zusammen: „Dieses Team ist so eng miteinander verbunden, das können und wollen wir nicht trennen“, so Sandra Giebel. 

Zurzeit stecken sie Kontakte für Kabel zur EKG-Überwachung zusammen, wickeln und bündeln die Leitungen für den Versand. „Wir bekommen sehr viele Aufträge aus der Medizin-Industrie“, sagt Christian Fromm, „weil wir Arbeiten erledigen, die kaum eine Maschine erledigen kann oder durch künstliche Intelligenz durchgeführt werden können“, erklären Sandra Giebel und Christian Fromm. 

Und Susan Thoms? „Ich weiß, dass ich eines Tages wieder außerhalb der Werkstatt arbeite“, ist sie überzeugt. Dann fährt sie fort: „Bis es so weit ist, bleibe ich hier und fühle mich auch wohl. Wir sind eine eingeschworene Gruppe und wissen, dass unsere Gruppenleiterin und die Diakonie schon dafür sorgen werden, dass wir bald wieder außerhalb arbeiten können.“
*Das WBS-Syndrom ist ein seltener Gendefekt, der unter lebend geborenen Säuglingen mit einer Häufigkeit von 1: 20.000 auftritt. Häufig weisen WBS-Patienten eine kognitive Behinderung, also eine verzögerte psychische und physische Entwicklung, auf. Bei ihnen ist in vielen Fällen ein großer Mund mit schwach entwickelten Zähnen und großen Zahnlücken erkennbar. Auch treten bei WBS-Personen Herzfehler und Nierenfehlbildungen auf. WBS-Patienten sind kontaktfreudig, fröhlich und verfügen oft über besondere Fähigkeiten, sogenannte „Inselbegabungen“. Sie können in einem speziellen Teilbereich bemerkenswerte Leistungen vollbringen.