Lulzim Lushtaku arbeitet seit 2008 in den Ruhrtalwerkstätten der Lebenshilfe Düren in Nordrhein-Westfalen. Seit 2013 engagiert er sich im Werkstattrat für Themen und Belange seiner Kolleginnen und Kollegen in der Werkstatt. Wenn Jemand Probleme, Sorgen oder Themen hat, die die Arbeit, das Miteinander oder Rahmenbedingungen des Werkstattalltags betreffen, hat er ein offenes Ohr und unterstützt. Herr Lushtaku ist nicht „nur“ Werkstattrat, sondern auch Delegierter der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstatträte Nordrhein-Westfalen und seit 2022 Vorsitzender von Werkstatträte Deutschland e. V. Beide Gremien setzen sich auf Bundes- und Landesebene für die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Beeinträchtigung der Werkstätten ein. Zusätzlich ist Herr Lushtaku Vorsitzender des Inklusionsbeirates der Stadt Düren.
Sie engagieren sich seit mehr als zehn Jahren für die Belange von Mitarbeiter*innen mit Beeinträchtigung in WfbM. Was hat sie dazu motiviert? Mein Motto ist: Nicht motzen, sondern sich engagieren. Ich bin so aufgewachsen, dass ich mich für mich und meine Mitmenschen eingesetzt habe. Ich war zum Beispiel in der Schule schon Klassensprecher.
Als wir nach Deutschland kamen, habe ich als Kind viel schneller Deutsch gelernt als meine Eltern*. Häufig musste ich deshalb auch für meine Eltern auf Ämtern oder so sprechen. Ich bin das einfach gewohnt. Und aus dieser Erfahrung heraus, habe ich mich dazu entschieden, das auch in der Werkstatt zu machen. Es macht mir viel Spaß.
Darüber hinaus habe ich ein großes Interesse an politischen Themen. Das hat mich motiviert auch auf Landes- und Bundesebene aktiv zu werden.
Wie hat sich, Ihrer Beobachtung nach, die Situation von Beschäftigten in den WfbM verändert? Ich finde, dass seit 2009 mit der Ratifizierung der UN-BRK in Deutschland ein neuer Wind in die Werkstätten gekommen ist. Ich finde vieles hat sich positiv verändert – Werkstätten sind offener und moderner geworden. Auch die Arbeit der Werkstatträte hat seitdem eine größere Bedeutung bekommen – die WMVO gibt es zwar schon einige Jahre länger, aber in den Anfangsjahren wurde sie ja kaum gelebt.
Nichtsdestotrotz ist noch sehr viel zu tun. Die Bezahlung der Beschäftigten muss unbedingt besser werden. Und was andere Themen angeht, zum Beispiel Werkstattratsarbeit und Transparenz, ist auch je nach Werkstatt mehr oder weniger Luft nach oben.
Wie hat Ihr Engagement sie verändert? Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und mir Wissen angeeignet. Ich denke mein Engagement hat mich auch selbstbewusster und unabhängiger gemacht. Ich habe gelernt, dass man Dinge verändern kann, dass man nicht einfach alles hinnehmen muss.
Warum liegt Ihnen das Thema Selbstvertretung so sehr am Herzen? Es ist mir Wichtig, dass Menschen in Werkstätten sichtbar werden, dass sie eine Stimme bekommen. Die Meinung der Beschäftigten muss in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielen. Ich übernehme gerne diese Aufgabe und versuche mit Herz und Kopf vorneweg zu rollen.
Worin liegen Herausforderungen und Schwierigkeiten innerhalb der Werkstattratsarbeit? Es ist eine Herausforderung, sich eine Akzeptanz in der gesamten Werkstatt, vor allem aber auch gegenüber der Werkstattleitung, zu erarbeiten. Dafür sind Schulungen und gute unabhängige Vertrauenspersonen wichtig.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass man aus dem Werkstattrat ein gutes Team formt, das auf Augenhöhe zusammenarbeitet.
Wir von Werkstatträte Deutschland e.V. entwickeln Materialien für Werkstatträte, die den Werkstatträten die Arbeit erleichtern soll. Zum Beispiel haben wir kürzlich die gesamte Werkstätten-Mitwirkungs-Verordnung (WMVO) in Leichte Sprache übersetzen lassen.
Welche positiven Aspekte gibt es? Es macht Spaß positive Entwicklung anzustoßen und zu erleben, dass der Werkstattrat mit seiner Arbeit etwas bewirken kann. Die Werkstattratsarbeit stärkt die Rolle der Werkstattbeschäftigten. Das finde ich persönlich großartig.
Was wünschen Sie Werkstatträten und Frauenbeauftragten und Beschäftigten innerhalb der Werkstatt für die Zukunft? Ich wünsche allen Selbstvertreter*innen viel Kraft, innere Ruhe, Durchhaltevermögen und Hartnäckigkeit, denn das braucht man für diese Aufgabe.
Wichtig ist es, sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen zu lassen und Dinge nicht persönlich zu nehmen.
Ich wünsche allen Werkstatträten und Frauenbeauftragten, dass sie gut und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Werkstattrat und Frauenbeauftragten stärkt die Selbstvertretung innerhalb der Werkstatt – davon können alle nur profitieren.
Den Beschäftigten wünsche ich, dass sie jeden Tag gerne zur Arbeit gehen und, dass wir es bald schaffen, eine bessere und gerechtere Bezahlung zu erhalten.
Was bedeutet Ihnen und Ihren Kolleg*innen die Arbeit in der Werkstatt? Die Werkstatt ist für uns alle ein wichtiger Ort. Dort treffen wir unsere Freunde und Bekannten, wir können uns austauschen und sind mit Gleichgesinnten zusammen.
Für viele ist es auch wichtig eine Tagesstruktur zu haben, die sie in der Werkstatt vorfinden. Es ist außerdem sinnstiftend jeden Tag gute Arbeiten zu erledigen.
Viele Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen kennen den allgemeinen Arbeitsmarkt. Häufig war der Stress, den sie dort erlebt haben, ein Grund für ihre Erkrankung. In der Werkstatt haben viele von ihnen wieder Halt und Struktur gefunden. Wenige von ihnen haben ein Interesse daran, wieder auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln.
*Lulzim Lushtaku wurde im Kosovo geboren.